Autor: Karl Laurinat

  • Bildbewegung

    Bildbewegung

    Unter Bildbewegung versteht man die im Bild erscheinende Bewegtheit der dargestellten Situation und der Bildelemente.

    Grundlegend lassen sich als Gestaltungsprinzipien die Betonung der Bewegung und die Reduktion von Bewegung unterscheiden. Die Mittel, die diese Prinzipien verwirklichen, werden im Folgenden vorgestellt.

    Michelangelo, Die Erschaffung Adams, zwischen 1508 und 1512.
    Fresko, 280 x 570 cm. Sixtinische Kapelle, Vatikanstadt.

    Betonung der Bewegung

    Sowohl in der inhaltlichen als auch auch formalen Gestaltung eines Bildes können verschiedene Mittel den Bewegungseindruck steigern:

    • Darstellung von Bewegungshaltungen oder -situationen
    • lebhafte Mimik und Gestik
    • skizzenhafte Darstellung (bewegte Linien/Formen)
    • Betonung der Diagonalen, verschiedenartig gerichtete Achsen
    • gelöste Umrisse, verschwimmende Konturen
    • Ornamente, Strukturen, Kontraste
    • Darstellungsweise, die das Motorische des Schaffensaktes zeigt (z. B. getupfter Farbauftrag)
    Käthe Kollwitz, Tod und Frau, 1910.
    Strichätzung, Kaltnadel, Schmirgel, 45 x 45 cm. Städel Museum, Frankfurt am Main.
    Vincent van Gogh, Sternennacht, 1889.
    Öl auf Leinwand, 74 x 92 cm. Metropolitan Museum of Art, New York.
    Ernst Ludwig Kirchner, Straßenbild vor dem Friseurladen (Straßenszene), 1926.
    Öl auf Leinwand, 120 x 100 cm. Gemäldegalerie Neue Meister, Dresden.
    Max Slevogt, Seeräuber, 1914.
    Öl auf Leinwand, 74 x 95 cm. Gemäldegalerie Neue Meister, Dresden.

    Reduktion der Bewegung

    Folgende Mittel reduzieren den Bewegungseindruck in einem Bild:

    • Darstellung von ruhigen Haltungen oder unbewegten Bildgegenständen
    • Betonung der Waagerechten und Senkrechten
    • blockhafte Umrisse
    • Vermeiden von Kontrasten und Überdeckungen
    • Vereinfachung der Formen
    Meinert Hobbema, Allee von Middelharnis, 1689.
    Öl auf Leinwand, 103 x 141 cm. National Gallery, London.
    Leonardo da Vinci, Mona Lisa, 1503-1506.
    Öl auf Pappelholz, 77x53cm, Louvre, Paris.
    Pablo Picasso, Femme couchée lisant, 1939.
    Öl auf Leinwand.
    Caspar David Friedrich, Mondaufgang am Meer, 1822.
    Öl auf Leinwand, 55 x 71 cm. Alte Nationalgalerie, Berlin.


  • Bildraum

    Bildraum

    In der europäischen Kunst war die Entwicklung des illusionistischen Bildraums, also die Darstellung von Räumlichkeit auf der zweidimensionalen Bildfläche, zuerst für Künstler in der Antike und später in der Renaissance eine Herausforderung. In der Zwischen-
    zeit, dem Mittelalter, spielte Räumlichkeit in der Darstellung kaum eine Rolle, im Gegenteil: Die Größe der Figuren z.B. richtete sich nicht nach den Prinzipien räumlicher Entfernung, sondern allein nach ihrem Rang. Je größer die Figur, desto bedeutender ihre Stellung („Bedeutungsperspektive“).

    In diesem Beitrag geht es um die Gestaltung von Bildräumen – also darum, wie durch Formen, Farben und Anordnung in Bildern ein räumlicher Eindruck (bzw. ein flächiger Eindruck) entstehen kann. Du erfährst, mit welchen Mitteln Künstler Räumlichkeit und Körperlichkeit im Bild aufbauen können. So bekommst du ein besseres Verständnis dafür, wie Bilder wirken – und wie du selbst mit einfachen Mitteln Tiefe und Raum in deinen eigenen Arbeiten erzeugen kannst.

    Grundlegend können zwei Gestaltungsprinzipien unterschieden werden: die Betonung des Raumes und die Betonung der Fläche. Bilder können gestalterische Mittel aufweisen, die beide Prinzipien verwirklichen. Jedoch kann eine Tendenz bestimmt werden.

    „Wir müssen die dreidimensionale Welt der Gegenstände in die zweidimensionale Welt der Leinwand übertragen.“

    Max Beckmann

    Betonung des Raumes (Verräumlichung)

    Auf der Fläche kann durch den Einsatz bestimmter Gestaltungsmittel eine Raumillusion erzeugt werden. Der Bildraum beinhaltet die Gliederung des Formates in räumliche Bezüge (Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund) und die Entscheidungen über die Mittel der Körper- und Raumdarstellungen auf der Bildfläche.

    Modulation von Licht und Schatten
    Bildgegenstände plastisch hervorzuheben war schon in der Antike und dann wieder seit der Renaissance ein Anliegen vieler Künstler. Für Leonardo da Vinci war „die Rundung die Seele der Malerei“. Die Körperhaftigkeit wird in der Malerei durch Licht- und Schatten-Modulation erzeugt, d. h. die stufenweise Veränderung einer Farbe.

    In der Grafik sind insbesondere die Mittel der Schraffur und der Hell-Dunkel-Kontrast bedeutsam. Durch die Darstellung von Eigen-/Körperschatten und Schlagschatten kann auf der Fläche die Illusion von Körperhaftigkeit erzeugt werden.

    Wolfgang Mattheuer, Die Flucht des Sisyphos, 1972.
    Öl auf Hartfaserplatte, 97 x 118 cm. Albertinum, Dresden.
    Caspar David Friedrich, Studie einer Eiche; Baum mit Wurzel, 1809.
    Bleistift, 32 x 26 cm. Kupferstichkabinett Dresden.

    Neben der Körperillusion spielt die Raumdarstellung eine entscheidende Rolle.

    Vor der Entdeckung der Perspektivkonstruktion nutzten Künstler einfache Mittel zur Raumdarstellung, die sie aus der Seherfahrung gewonnen hatten. Beispielsweise war der mittelalterliche Bildraum weitgehend flach, der Hintergrund wenig und meist golden ausgestaltet. Den Künstlern des Mittelalters ging es nicht um die perfekte Raumillusion, sondern um den geistig-religiösen Gehalt. So wurden einfache raumschaffende Mittel eingesetzt, um die Bildfläche räumlich erscheinen zu lassen.

    Stephan Lochner, Madonna im Rosenhag, um 1450.
    Mischtechnik auf Holz, 51 x 40 cm.

    In der folgenden Übersicht sind einfache raumschaffende Mittel aufgelistet, die sich gut in van Goghs Gemälde und Zeichnung zeigen:

    Die Fußpunkte der Objekte im Bild zeigen Folgendes: Die Boote, die im Bild weiter hinten liegen, haben eine höhere Position. Sie sind teilweise in regelmäßigem Abstand von vorn links nach hinten rechts positioniert (gestaffelt) und verdecken einander mitunter. Boote, die im Bild weiter hinten liegen, sind erheblich kleiner dargestellt.

    Darüber hinaus wurden im Laufe der Jahrhunderte weitere raumschaffende Mittel entdeckt und entwickelt, um Räumlichkeit darzustellen. Bereits im Altertum wurden vereinzelt, so schon in pompejanischen Wandgemälden, die Gegenstände — besonders Architekturelemente — perspektivisch verkürzt darstellten, um Raumillusion zu erzielen, jedoch ohne dass die Linien konsequent auf einen Fluchtpunkt zuliefen. Hier wurde der Seheindruck
    sehr exakt nachgeahmt.

    Parallelprojektion („Parallelperspektive“)

    Als konstruierbare Raumdarstellung hat sich aus der Antike, vor allem in römischen und byzantinischen Mosaiken, die „Parallelprojektion“ (landläufig: „Parallelperspektive“) erhalten. Sie kam im Konstruktivismus des frühen 20. Jahrhunderts zu neuer Geltung. Alle in Wirklichkeit parallel verlaufenden Linien eines Körper werden parallel wiedergegeben, was zu mathematisch-technischer Genauigkeit, nicht aber zu einer dem Sehsinn entsprechenden Darstellung führt.

    Mosaik, um 425-430 n. Chr. (Ausschnitt, Höhe ca. 50 cm).
    Mausoleum der Galla Placidia, Ravenna.
    Theo von Doesburg, Kontra-Konstruktion, 1924.
    Tinte und Gouache, 58 x 57 cm. Stedelijk Museum, Amsterdam.

    Zentralperspektive

    Um 1420 glückte Künstlern wie Brunelleschi und Alberti erstmals die Darstellungsform, die der Wahrnehmung des menschlichen Auges am nächsten kommt: die wissenschaftliche „Zentralperspektive“. In die Tiefe gehende Linien werden dabei zu „Fluchtlinien“, die sich im „Fluchtpunkt“ treffen. Dessen Höhe gibt die Horizontlinie und damit die Augenhöhe des Betrachters an. Liegt diese hoch, spricht man von „Vogelperspektive“, liegt sie tief, von „Froschperspektive“.
    Elemente, die gleich groß sind (z. B. Kacheln, Fliesen), werden mittels „Distanzpunkt“ kontinuierlich verkleinert. Ein Kreis wird in der räumlichen Verkürzung zur Ellipse.

    Während die Zentralperspektive eine Einfluchtpunktperspektive darstellt, bei der eine Seite parallel zur Zeichenebene verläuft („Frontalperspektive“), werden über Eck gesehene Körper in der Regel mittels Zweifluchtpunktperspektive wiedergegeben („Normalperspektive“ bzw. „Übereckperspektive“). Die Zweifluchtpunktperspektive vermag es Objekte realitätsnah abzubilden, die eine andere Lage im Raum haben und folglich in einem anderen Winkel zum Sehstrahl des Betrachters liegen.

    Michelangelo, Die Schule von Athen, 1510-11.
    Fresko. Stanza della Segnatura, Vatikan.

    Farb- und Luftperspektive

    Parallel zur Konstruktion der Zentralperspektive erforschten Künstler auch die malerischen Mittel zur Schaffung von Raumillusion. Ihre Methoden waren empirisch begründet, da sie beobachtet haben, dass Landschaftsteile mit zunehmender Entfernung verblauen, die Farbtemperatur also abnimmt. Da wir warme Farben (Rot, Braun etc.) als näher empfinden, lässt sich durch die Anwendung der Farbperspektive („Verblauung“), d. h. den Übergang von warmen Farben in kühlere (Grün, Blaugrün, Blau) der Eindruck von Raumntiefe erzeugen.

    Aufgrund von atmosphärischen Einflüssen werden Dinge in der Ferne auch undeutlicher, kontrastärmer und heller. Ein Meister dieser Luftperspektive war Leonardo da Vinci: Er hüllte die Hintergrundlandschaften in zarten Dunst. Für seine Malweise prägte er den Ausdruck „sfumato“ (ital.: rauchig).

    Leonardo da Vinci, Felsgrottenmadonna [Detail], 1483-86.
    Leonardo da Vinci, Madonna mit der Spindel [Detail], 1501.
    Öl auf Holz, 50 x 35 cm.

    Betonung der Fläche (Verflächigung)

    Die Illusion von Räumlichkeit und Körperlichkeit in Bildern kann auch reduziert sein bzw. negiert werden.

    Henri Matisse, Luxus, Ruhe und Sinnlichkeit, 1904.
    Öl auf Leinwand, 99 x 119 cm.
    Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris.
    [Betonung der Umrisslinie]
    Pablo Picasso, Landschaft mit zwei Figuren, 1908.
    Öl auf Leinwand, 60 x 73 cm. Musée Picasso, Paris.
    [Verbinden verschiedener Ansichten, Anschneiden durch Bildrand, Reduzieren auf Vorder- und Hintergrund]

    Folgende Gestaltungsmittel bewirken einen flächigen Eindruck:

    • Betonung der Umrisslinie / der Silhouette
    • Verbindung verschiedener Ansichten
    • dekorative Flächenmuster
    • Reduzierung auf Vorder- und Hintergrund
    • Objekte nur vor Hintergrund, Verstellen des Hintergrundes durch Objekte
    • Anschneiden durch Bildrand
    • Bedeutungsperspektive
    Lucchesischer Maler, Thronende Madonna mit dem Kind, um 1250 – 1260.
    Leinwand auf Pappelholz, 104 x 63 cm. Wallraf-Richartz-Museum Köln.
    [Bedeutungsperspektive, dekorative Flächenmuster, Ornamente]

    Quellen:
    Grünewald, Dietrich (2009) (Hrsg.): Kunst entdecken. Oberstufe. Berlin: Cornelsen Verlag, S. 96f.
    Klant/Walch (2002): Grundkurs Kunst 1. Malerei, Grafik, Fotografie. Hannover: Schroedel, S. 23ff.
    Duden-Abiturhilfen (1994). Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverl.
    Schöttle, Herbert (1995): Workshop Kunst, Band 2. Paderborn: Schöningh.

  • Bildkomposition

    Bildkomposition

    Unter Bildkomposition verstehen wir den formalen Aufbau eines Bildes, also die Ordnung aller Bildelemente auf der Bildfläche zu einem Ganzen. Diese Anordnung lenkt die Blickführung des Betrachters und ruft jeweils spezifische Wirkungen hervor (Zusammenspiel von Inhalt und Form). Es sollte bedacht werden, dass diese Wirkungen stark von unseren Sehgewohnheiten und der kulturellen Prägung abhängen.

    Im Wesentlichen lassen sich zwei Gestaltungsprinzipien unterscheiden, die in einem Bild betont sein können: Die ausgewogene Organisiertheit der Bildelemente und die Negation einer Ordnung.

    Caspar David Friedrich, Ostermorgen, 1828-35.
    Öl auf Leinwand, 34 x 44 cm. Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid.

    Ausgewogene Organisiertheit

    Mithilfe bestimmter Gesetzmäßigkeiten wird eine Bildstruktur geschaffen, welche durch die bewusste Anordnung der einzelnen Bildelemente die Blickführung des Betrachters durch das Bild lenkt.

    (1) Formatwirkung

    (2) Konzentrationspunkt

    Ein Konzentrationspunkt lenkt den Blick des Betrachters auf sich. Häufig ist es die Stelle im Bild, die als Erstes betrachtet wird.

    Ein Konzentrationspunkt in einem Bild entsteht durch…

    • Verdichtung,
    • Auflockerung,
    • Farbe,
    • Gerichtetheit der Formen/Linien.
    Caspar David Friedrich, Kirchhofpforte, 1822.
    Öl auf Leinwand, 38 x 34 cm. Kunsthalle Karlsruhe. [Verdichtung]
    Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, 1809-10.
    Öl auf Leinwand, 110 x 171 cm. Alte Nationalgalerie, Berlin. [Verdichtung]
    Caspar David Friedrich, Weidengebüsch bei tiefstehender Sonne, 1832-35.
    Öl auf Leinwand, 22 x 31 cm. Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt/Main. [Auflockerung, Farbe]
    Caspar David Friedrich, Kügelgens Grab, 1821/22.
    Öl auf Leinwand, 42 x 56 cm. Privatsammlung. [Farbe]
    Caspar David Friedrich, Morgen im Riesengebirge, 1810/11.
    Öl auf Leinwand, 108 x 170 cm. Neuer Pavillon, Berlin. [gerichtete Linien]

    (3) Verhältnis Grundfigur – Objektfigur

    Die Objektfigur ist das zentrale Motiv oder die Hauptgestalt in einem Kunstwerk (z. B. eine Person, ein Tier oder ein Gegenstand). Sie steht zumeist im Vordergrund zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich.
    Die Grundfigur bezieht sich auf den Hintergrund oder die unterstützenden Elemente, die die Objektfigur umgeben. Sie bildet den Kontext, in dem die Objektfigur steht, und sorgt für die räumliche und kompositorische Struktur des Kunstwerks. Sie kann durch Farbe, Textur oder Form gestaltet sein und beeinflusst, wie die Objektfigur wahrgenommen wird. Die Grundfigur kann auch dazu dienen, die Stimmung oder Atmosphäre des Werkes zu verstärken.

    Grundfigur betont
    >>> Objektfigur wirkt verloren

    Caspar David Friedrich, Der Mönch am Meer, 1808-10.
    Öl auf Leinwand, 110 x 172 cm. Alte Nationalgalerie, Berlin.

    Objektfigur betont
    >>> wirkt dominant

    Ernst Ludwig Kirchner, Selbstporträt, Doppelporträt, 1914.
    Öl auf Leinwand, 60 x 49 cm.
    Staatliche Museen zu Berlin.

    ausgewogenes Verhältnis von Grund- und Objektfigur
    >>> ausgeglichen

    Edvard Munch, Die Einsamen, 1906-08.
    Öl auf Leinwand, 81 x 111 cm. Harvard Art Museums.

    Das Zusammenspiel von Objektfigur und Grundfigur bestimmt die visuelle und emotionale Wirkung eines Kunstwerks.

    (4) Kompositionsprinzipien

    Kompositionsschemata

    Zurückgreifen auf geometrische Figuren

    • Orthogonale/Rechteck/Quadrat>>> Festigkeit, Ausgeglichenheit
    • Dreieck >>> Stabilität, Standfestigkeit
    • Kreis/Oval >>> Verbundenheit, Vereinheitlichung
    • Spirale >>> Dynamik, Dramatik (z. B. Kampf)
    Raffael, Madonna im Grünen, 1506.
    Öl auf Pappelholz, 113 x 88 cm.
    Kunsthistorisches Museum Wien.
    [Dreieck]
    Raffael, Sixtinische Madonna, 1512/13.
    Öl auf Leinwand, 256 x 196 cm.
    Gemäldegalerie Alte Meister Dresden.
    [Dreieck und Kreis/Oval]
    Vincent van Gogh, Weizenfeld mit Zypressen, 1889.
    Öl auf Leinwand, 73 x 93 cm.
    [Komposition um eine Achse]

    Ordnungsstrukturen

    Es lassen sich folgende grundlegende Ordnungsstrukturen unterscheiden:

    • Symmetrie >>> harmonisches Gleichgewicht, Spiegelung
    • Asymmetrie >>> Unruhe, Chaos, Aufgewühltheit
    • Reihung >>> Gleichförmigkeit, Ordnung, Vereinheitlichung von Unterschieden
    • Ballung, Gruppierung, Streuung >>> Wechsel, Kontrast (z. B. Dichte vs. Vereinzelung/Isolation)
    • Raster >>> Ordnung, Gleichförmigkeit
    Caspar David Friedrich, Hünengrab im Schnee, 1807.
    Öl auf Leinwand, 62 x 80 cm.
    Galerie Neue Meister, Albertinum, Dresden. [Reihung]
    Jan van Eyck, Arnolfini-Hochzeit, 1434.
    Öl auf Holz, 82 x 60 cm. National Gallery, London. [Symmetrie]
    Andy Warhol, Marilyn Diptych, 1962.
    Siebdruck auf Leinwand, 205 x 145 cm (jedes Panel).
    Tate Modern, London. [Raster]

    Bildbestimmende Kompositionslinien

    Herausfiltern von bildbestimmenden Linien durch das Reduzieren von Bildelementen auf Linien und richtungsweisende Achsen

    • Horizontale >>> Ruhe, aber auch Teilung in obere und untere Bildhälfte
    • Vertikale >>> Erhabenheit, aber auch Teilung in linke und rechte Bildhälfte
    • Diagonale >>> Dynamik, Unruhe
      • von links nach rechts abfallend >>> negativ (z. B. Niederlage)
      • von links nach rechts aufsteigend >>> positiv (z. B. Sieg)
    Annibale Carracci, Beweinung Christi, 1606.
    Öl auf Leinwand, 93 x 103 cm. National Gallery, London.
    [Fallende Kompositionslinie]
    Caspar David Friedrich, Zwei Männer in Betrachtung des Mondes, 1819/20.
    Öl auf Leinwand, 33 x 45 cm. Galerie Neue Meister, Albertinum, Dresden.
    [Diagonale]

    Bildproportionen

    Eugène Delacroix, Die Freiheit führt das Volk, 1830.
    Öl auf Leinwand, 260 x 325 cm. Louvre, Paris.
    Caspar David Friedrich, Der Sommer, etwa 1807.
    Öl auf Leinwand, 42 x 104 cm. Neue Pinakothek München.
    Adolph von Menzel, Piazza d’Erbe in Verona, 1884.
    Öl auf Leinwand, 74 x 127 cm. Galerie Neue Meister, Albertinum, Dresden.

    Negation einer Ordnung

    Wenn in einem Bild die Organisiertheit scheinbar negiert wird, gleicht dies dem Prinzip „Zufall“ bzw. Chaos.

    Eine scheinbare Negation aller Ordnung zeigt sich in Gemälden des Tachismus, einer Richtung des Informel in der abstrakten Malerei. Diese entstand in den 1940er Jahren in Paris und war bis etwa 1960 aktiv. Der Begriff wurde von dem französischen Kunstkritiker Pierre Guéguen, der die Werke abfällig als tachisme (franz.: „Fleckwerk“) bezeichnete. Die Künstler des Tachismus versuchten, spontane Empfindungen und das Unbewusste unter Vermeidung jeder rationalen Kontrolle durch Auftrag von Farbflecken auf eine Leinwand darzustellen.

    Albert Fürst, Wirrung, 1957.
    Mischtechnik auf Bütten, 54 x 76 cm. Privatbesitz.
    Emil Schumacher, Salangan, 1989.
    Öl auf Holz, 170 x 250 cm. Städel Museum, Frankfurt/Main.

    Zeitlich etwa parallel entstand zu den informellen Kompositionen in den USA mit dem abstrakten Expressionismus eine eng verwandte Malmethode: Das Action Painting.

    Jackson Pollock, Free Form, 1946.
    Öl auf Leinwand, 49 x 36 cm. The Museum of Modern Art, New York.

    Quellen:
    Bickelhaupt, Thomas (2014): Grafik. Theorie – Praxis – Geschichte. Stuttgart: Ernst Klett Verlag.

  • Bildform

    Bildform

    Als Bildform wird die Art der Geformtheit der Bildgegenstände (Objektfigur) und des Bildgrundes (Grundfigur) bezeichnet. Beide Figuren bedingen einander und sind gleichwertig bedeutsam für die Bildaussage.

    Als grundlegende Prinzipien lassen sich eine hohe Annäherung an die Wirklichkeitserscheinung und eine Entfernung von dieser unterscheiden. Weiterhin ist eine Negation der realen Geformtheit möglich.

    Eine psychologische Grundlage für das Sehen und Gestalten von Formen in Bildern bildet die Figur-Grund-Beziehung.

    Piet Mondrian, Der rote Baum, 1908-10.
    Öl auf Leinwand, 70 x 99 cm. Kunstmuseum Den Haag.

    Figur-Grund-Beziehung

    Ein zentrales Merkmal der menschlichen Wahrnehmung ist die Fähigkeit, zwischen einem Objekt im Vordergrund und dessen Hintergrund zu unterscheiden. Dabei hebt sich die sogenannte „Figur“ deutlich vom „Grund“ ab, also vom umgebenden Kontext.

    Unser Gehirn ist bestrebt, Formen aus einer Fläche oder einem Raum herauszufiltern und zu interpretieren. Besonders gut gelingt dies, wenn zwischen Figur und Hintergrund ein starker Helligkeitsunterschied besteht – also ein deutlicher Kontrast vorhanden ist.

    Bestimmte Gestaltungen führen zu einer uneindeutigen Wahrnehmung von Figur und Hintergrund – insbesondere dann, wenn die verwendeten Formen je nach Betrachtungsweise sowohl als Vordergrundobjekt als auch als Hintergrund interpretiert werden können. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der sogenannte Rubin’sche Becher.

    Die Wahrnehmungstäuschung bei der Figur-Grund-Erkennung beruht wesentlich darauf, welche Bereiche des Bildes als Vordergrund und welche als Hintergrund interpretiert werden. Beim Rubin’schen Becher entscheidet diese Zuordnung darüber, ob man eine Vase oder zwei sich gegenüberstehende Gesichter erkennt.

    Vertiefende Informationen findest du auf folgendem Merkblatt:

    Annäherung an die Wirklichkeitsform („Dingabbild“)

    In einem Bild kann die Naturähnlichkeit betont werden. Es findet eine Annäherung an die Wirklichkeit und entsprechend die reale Geformtheit statt.

    Folgende Mittel unterstützen dieses Gestaltungsprinzip:

    • naturähnliche Proportionen,
    • naturnahe Binnengliederung,
    • naturnahe Umrisse,
    • naturnahe räumliche und perspektivische Darstellungen (Körperperspektive, Zentralperspektive, …).
    Rembrandt van Rijn, Selbstbildnis an einer Steinmauer lehnend, 1639.
    Radierung, 21 x 16 cm. Städel Museum, Frankfurt/Main.
    Adolph Menzel, Der Fuß des Künstlers, 1876.
    Öl auf Holz, 39 x 34 cm. Alte Nationalgalerie, Berlin.
    Leonardo da Vinci, Mona Lisa, 1503-06.
    Öl auf Pappelholz, 77 x 53 cm. Musée du Louvre, Paris.
    Samuel van Hoogstraten, Trompe-l’oeil-Stilleben, 1664.
    Öl auf Leinwand, 46 x 58 cm. Johnny Van Haeften Gallery, London.

    Entfernen von der Wirklichkeitsform („Sinnbild“)

    Bildgegenstände können sich in ihrer Geformtheit von der Wirklichkeit lösen und entsprechend verfremdet erscheinen.

    Perikopenbuch Heinrichs II., Reichenau,
    Verkündigung an die Hirten, 1007-1012.
    Deckfarben auf Pergament, 28x 25 cm.
    Bayrische Staatsbibliothek München.
    [Verformung der Proportionen]
    Käthe Kollwitz, Die Eltern aus dem Zyklus Krieg, 1921/22.
    Holzschnitt. Städel Museum, Frankfurt am Main.

    Folgende Gestaltungsmittel verwirklichen dieses Prinzip:

    • Verformung der Proportionen/Formvereinfachung/Annäherung an geometrische Grundformen,
    • Betonung der Umrisse,
    • verschwimmende Konturen,
    • spezieller Pinselduktus (pastos, lavierend, getupft, flächig, …),
    • Verzicht auf Details,
    • Verbindung von Objekt und Grund,
    • Öffnen/Zerreißen der Formen.
    Georges Braque, Krug und Violine, 1910.
    Öl auf Leinwand, 117 x 74 cm, Philadelphie Museum of Art.
    [Verbindung von Objekt und Grund, Öffnen/Zerreißen der Formen]
    Henri Matisse, Luxus, Ruhe und Sinnlichkeit, 1904.
    Öl auf Leinwand, 99 x 119 cm.
    Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris.
    [Formvereinfachung/Annäherung an geometrische Grundformen, Betonung von Konturen]
    Karl Schmidt-Rottluff, Blick vom Balkon, 1913.
    Holzschnitt. [Formvereinfachung, Verzicht auf Details]
    Georges Seurat, Der Morgenspaziergang, 1885.
    Öl auf Holz, 25 x 16 cm. National Gallery, London.
    [getupfter Farbauftrag, Verschwimmen der Konturen]

    Negation der realen Geformtheit („Gebilde“)

    Bilder, deren Gegenstände in ihrer Geformtheit keinen Bezug zur Wirklichkeit aufweisen und diese negieren, werden auch als „Gebilde“ bezeichnet.

    Henri Matisse, Die Schnecke, 1953.
    Bemalte und zugeschnittene Papiere auf Leinwand, 287 x 288 cm.
    Tate Modern, London. [abstrakte Formen]

    Folgende Mittel werden dabei häufig genutzt:

    • Verwendung abstrakter Formen und unrealer Farben,
    • Einbeziehung von Fotos, Collagematerialien, realen Objekten.
    Clyfford Still, 1944-N No. 2, 1944.
    Öl auf Leinwand, 265 x 222 cm. The Museum of Modern Art, New York.
    Wassily Kandinsky, Komposition VIII, 1923.
    Öl auf Leinwand, 140 x 201 cm.
    Guggenheim Museum, New York. [abstrakte Formen]
    Hilma af Klint, Die zehn größten, Nr. 7, Erwachsenenalter, Gruppe IV, 1907.
    Öl auf Leinwand, 321 x 237 cm.
    Moderna Museet, Stockholm. [abstrakte Formen]
    Piet Mondrian, Composition with Large Red Plane, Yellow, Black, Grey and Blue, 1921.
    Öl auf Leinwand, 60 x 60 cm. Kunstmuseum Den Haag.
    Kurt Schwitters, Merzbild 21 b, Das Haar-Nabelbild, 1920.
    Zeitungsausschnitte, Knöpfe, Holzplättchen, Wellpappe,
    Korken und Haare, übermalt, 91 x 72 cm. Kunsthalle Karlsruhe.
    [Einbeziehung von Fotos, Collagematerialien, realen Objekten]
    Gerda Lepke, Feldlandschaft, 1978.
    Öl auf Leinwand, 50 x 81 cm. Galerie Himmel, Dresden.

    Quellen:

  • Bildgegenstand

    Bildgegenstand

    Als Bildgegenstand werden die für das Bild ausgewählten Dinge und Erscheinungen und deren Zusammenhänge bezeichnet.

    Als grundlegende Gestaltungsprinzipien kann man zwischen einer hohen Annäherung an die Wirklichkeitserscheinung und der Negation der Wirklichkeitserscheinung unterscheiden. Außerdem gibt es Bilder, die sowohl Gegenstände aus der Erfahrungswelt auch erfundene Gegenstände beinhalten oder ungewöhnliche Dingzusammenhänge zeigen.

    Betonung des Erfahrungswertes

    hohe Annäherung an die Wirklichkeitserscheinung

    • Auswahl realer Bildobjekte und -situationen
    • gewohnter gegenständlicher Zusammenhang
    • Darstellung des Objekts in seiner Gesamtheit oder als Ausschnitt
    Otto Dix, Bildnis der Journalistin Sylvia von Harden, 1926.
    Öl und Tempera auf Holz, 121 x 89 cm. Musée National d’Art Moderne, Paris
    Paul Cézanne, Stillleben mit Äpfeln, 1893/94.
    Öl auf Leinwand, 65 x 82 cm. Getty Center, Los Angeles.
    Bernardo Bellotto, gen. Canaletto, Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke, 1748.
    Öl auf Leinwand, 133 x 237 cm. Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden.

    Kombination von Erfahrungs- und Erfindungswert

    • ungewohnter gegenständlicher Zusammenhang:
      • Verfremdungen
      • Allegorisches, Metaphern
      • Groteskes
      • Symbolhaftes
      • Zitate
    • Eingliederung in eine übergeordnete inhaltliche Beziehung (Ideales, Fantastisches, Absurdes, …)
    Edvard Munch, Der Schrei, 1910.
    Tempera und Öl auf Karton, 84 x 66 cm. Munchmuseet, Oslo.
    Pieter Bruegel der Ältere, Der Sturz der rebellierenden Engel, 1562.
    Öl auf Eiche, 117 x 162 cm. Königliche Museen der Schönen Künste, Brüssel.
    Pablo Picasso, Guernica, 1937.
    Öl auf Leinwand, 349 x 777 cm. Museu Reina Sofía, Madrid.
    René Magritte, Die Rache, 1936.
    Öl auf Leinwand, 55 x 66 cm. Privatbesitz.

    Betonung des Erfindungswertes

    Negation der Wirklichkeitserscheinung

    • Auswahl unrealer Bildobjekte
    Hieronymus Bosch, Die Vision von Tondal, 1479.
    Öl auf Holz, 54 x 72 cm. Lázaro Galdiano Museum, Madrid.
    A.R. Penck, o.T., 1980.
    Acryl auf Leinwand, 100 x 130 cm. Privatsammlung.