Autor: Karl Laurinat

  • Gestalten mit Ton

    Gestalten mit Ton

    Schon früh in der Kulturgeschichte erkannten Menschen, dass sich aus Tonerde, die aus verschiedenen feinkörnigen Mineralien besteht, Gefäße und Kunstgegenstände herstellen lassen. Je nach ihrer Zusammensetzung zeigt die Tonerde unterschiedliche Eigenschaften und Farben.

    Ton kann so lange durch Modellieren bearbeitet werden, bis er anfängt auszuhärten. Daher muss er beim Unterbrechen des Arbeitsvorgangs in feuchte Tücher eingewickelt werden, damit die Form nicht schwindet. Unter Schwindung versteht man das Entweichen des Wasseranteils im Ton. Ist die Form fertig, wird sie gebrannt. Die Brenntemperatur hängt von der Art des Tons und vom gewünschten Zweck der gestalteten Form ab. Es ist viel Materialerfahrung nötig, um eine ebenmäßige und bruchsichere Form herzustellen. Wird die Tonform nicht gebrannt, bleibt sie sehr empfindlich.

    Ton lässt sich auf verschiedene Weise formen. Eine Möglichkeit ist das Aufbauen aus Streifen, Wülsten oder Platten, eine andere das Modellieren mit den Händen oder Modellierwerkzeugen. Symmetrische Formen lassen sich auf einer schnell rotierenden Drehscheibe herstellen. Wenn man der Tonerde reichlich Wasser beimengt, lässt sich das Material auch gießen. Dabei ist die Schwindung beim Trockenvorgang besonders hoch.

    Im folgenden Dokument findest du Anregungen für das Modellieren von Tongefäßen und Kleinplastiken:

  • Installation

    Installation

    Eine Installation ist ein Kunstwerk, das meist aus mehreren Elementen besteht und speziell für einen bestimmten Raum oder Kontext gestaltet wird. Im Gegensatz zu traditionellen Kunstformen wie Malerei oder Skulptur, die oft als Einzelwerke betrachtet werden, ist eine Installation in der Regel räumlich und interaktiv. Hier sind einige wichtige Merkmale einer Installation:

    1. Raumbezogenheit: Installationen nutzen den zur Verfügung stehenden Raum, um eine bestimmte Atmosphäre oder Erfahrung zu schaffen. Sie können sowohl Innenräume als auch Außenbereiche einnehmen.
    2. Vielzahl von Materialien: Installationen können aus einer Vielzahl von Materialien bestehen, wie z.B. Holz, Metall, Stoff, Licht, Video oder sogar natürlichen Elementen. Künstler:innen kombinieren oft verschiedene Materialien und Techniken, um ihre Ideen auszudrücken.
    3. Interaktivität: Viele Installationen laden die Betrachter:innen ein, aktiv am Kunstwerk teilzunehmen oder es zu erkunden. Dies kann durch Bewegung, Berührung oder sogar durch das Einbringen eigener Gedanken und Gefühle geschehen.
    4. Kontextualität: Installationen sind oft eng mit dem Ort verbunden, an dem sie präsentiert werden. Der Kontext, in dem sie entstehen, beeinflusst die Wahrnehmung und Interpretation des Kunstwerks.
    5. Erzählung und Konzept: Installationen erzählen häufig Geschichten oder vermitteln Konzepte. Sie können soziale, politische oder persönliche Themen ansprechen und die Betrachter:innen zum Nachdenken anregen.
    Olafur Eliasson, The Weather Project, 2003.
    Installation. Tate Modern, London.

    Ein bekanntes Beispiel für eine Installation ist „The Weather Project“ von Olafur Eliasson, die im Tate Modern Museum in London gezeigt wurde. Diese Installation simuliert einen Sonnenuntergang und behandelt entsprechend die Beziehung zwischen Mensch und Natur sowie unsere Wahrnehmung von Umweltphänomenen, insbesondere dem Wetter. Mit technischer Präzision und beeindruckender Ästhetik verwendet das Werk Licht, um die Grenzen zwischen Realität und Illusion zu verwischen.

    Chiharu Shiota,The Distance, 2018.
    Holzstühle, rote Wolle. Kunstmuseum Göteborg, Schweden.

    Die Installation The Distance von Chiharu Shiota, die 2018 in der Galerie der Gegenwart in Hamburg präsentiert wurde, ist ein beeindruckendes Kunstwerk, das mit Millionen von roten Fäden den Raum durchzieht und eine Art Netz bildet. Beim Betreten der Installation fühlt man sich, als würde man in ein riesiges Spinnennetz eintauchen, wobei das Licht, das durch die Fäden fällt, eine geheimnisvolle Atmosphäre schafft. Die Installation thematisiert die Beziehungen zwischen Menschen und die unsichtbaren Bindungen, die uns auch in der physischen Distanz miteinander verbinden.

  • Objektkunst

    Objektkunst

    Objektkunst ist eine Ausdrucksweise der Moderne. Von Künstlern werden vorgefertigte Dinge unterschiedlicher Bezugsebenen (Fotos, Zeitungsausschnitte, Kleidungsstücke, Geschirr, Möbel, Metallteile, Holz u.Ä.) in einen neuen Zusammenhang gebracht und als Material für ihre Kompositionen verwendet. Das Zusammenfügen dieser Teile kann eine neue Wahrnehmung ermöglichen, da die Ausgangsbedeutungen der Gegenstände bekannt sind, diese nun aber in völlig neuem Kontext präsentiert werden.

    (Felgentreu, Simone/Nowald, Karlheinz (2006): Kunst. Gymnasiale Oberstufe. Berlin/Frankfurt a.M.: DUDEN PAETEC Schulbuchverlag.)

    Entwickelt hat sich die Objektkunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Collage und Assemblage besonders des Kubismus und des Dadaismus. Während die Collage reale Dinge in die Kunst integriert, wird in der Objektkunst der Gegenstand selbst in veränderter oder unveränderter Form zum Kunstwerk. Im Laufe des letzten Jahrhunderts haben sich unterschiedliche objektkünstlerische Strategien entwickelt, über die du hier einen Überblick erhältst:

    Differenzierte Erläuterungen zur Objektkunst und ihren Strategien sowie weiteren Ausdrucksformen der modernen Plastik (u. a. abstrakte Plastik, New Media Art) erhältst du in diesem Reader:

    Quelle: Lanz, Oliver (2018): Objektkunst. Begriff und Geschichte.

  • Grundbegriffe der Plastikanalyse

    Grundbegriffe der Plastikanalyse

    Die Dreidimensionalität einer Plastik kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und dementsprechend den Raum ganz verschiedenartig einbeziehen. Das Spektrum reicht vom Relief, über Figuren, wie z. B. Gewändefiguren an Portalen, die eine Hauptansicht, die sogenannte „Schauseite“, haben und an der Rückseite mit der Architektur verbunden bleiben („Halbplastik“), bis hin zu vollplastisch ausgearbeiteten, allansichtigen Figuren(gruppen). Die Installation geht noch einen Schritt weiter, sie bezieht sich direkt auf den Raum.

    Größe und Ganzheit

    Die Wirkung einer Plastik wird unter anderem durch ihre Größe im Verhältnis zur menschlichen Körpergröße beeinflusst. Es ist wichtig zu klären, ob es sich um eine unterlebensgroße, lebensgroße oder überlebensgroße Skulptur handelt. „Monumental-“ oder „Kolossalplastiken“ zielen oft darauf ab, durch ihre Dimensionen zu beeindrucken. Allerdings ist die monumentale Wirkung nicht allein von den Maßen abhängig. Auch eine Kleinplastik kann monumental wirken, wenn die Komposition gut gestaltet ist oder die Präsentation so erfolgt, dass sie auf Augenhöhe wahrgenommen wird. Verschiedene Blickwinkel wie Draufsicht, Untersicht oder Frontalsicht erzeugen unterschiedliche Eindrücke.

    Eine Plastik kann ganz und vollständig erscheinen, d. h. alle relevanten Formmerkmale aufweisen, oder aber auch unvollständig. Derartige Plastiken fordern die Betrachtende dazu auf, vermeintlich „fehlende“ Elemente gedanklich/vor dem inneren Auge zu ergänzen. Erläuterungen zu Torsi, Fragmenten und Non-finito-Plastiken erhältst du in folgendem Dokument:

    Komposition und Proportion

    Die Proportionen bestimmen den körperlichen Ausdruck, bestimmen die Linie, die Silhouette.

    Wilhelm Lehmbruck (1881-1919)

    Die „Komposition“ (lat. componere, „zusammensetzen“) beschreibt den grundlegenden Aufbau einer Plastik. Sie kann eine vertikale Grundausrichtung (nach „oben“ strebende Wirkung, Dynamik) oder horizontale Grundausrichtung (am Boden verhaftende Wirkung, Ruhe) aufweisen. Weiterhin wird die Komposition wesentlich durch die Formgebung bestimmt: Sie kann entweder eher „organisch“ (gewachsen) oder eher „tektonisch“ (gebaut) erscheinen, wobei die organische Form eher der Natur und die tektonische der Architektur verwandt ist. Manche weisen organische und tektonische Momente in der Form auf.

    Jacques Lipchitz, Sitzender Mann mit Gitarre, 1947.
    Gips, mit Farbe und Lack bemalt, 78 x 42 x 36 cm. [tektonsiche Formgebung]
    Henry Moore, Sheep Piece, 1976.
    Bronze. Seepromenade am Zürichhorn, Zürich.
    [organische Formgebung]
    Henry Moore, Double Oval, 1966.
    Bronze. Henry Moore Sculpture Perry Green.
    Tony Cragg, Early Forms, 2001.
    Bronze, 130 x 410 x 60 cm.

    Bei der Beschreibung der Komposition sollte das Verhältnis der Teilvolumina zum Ganzen sowie deren Abfolge beschrieben werden. Außerdem können diese Teilvolumina einen bestimmten Rhythmus aufweisen, z. B. eine Wiederholung.

    Es ist auch wichtig zu untersuchen, ob den „Proportionen“ ein bestimmtes Schema zugrunde liegt. Künstler haben seit jeher nach Gesetzen oder einem „Kanon“ gesucht, um Schönheit und Harmonie zu definieren. Jede Epoche bringt jedoch ihren eigenen, wandelbaren künstlerischen Ausdruck hervor. Aristide Maillol ergänzte: „Der Kanon ist eine Regel, die mit jedem Künstler wechselt.“ Eine Ausnahme bildet der „Goldene Schnitt“, der Strecken, Flächen oder Körper in einem harmonischen Verhältnis teilt und seit der Antike Anwendung findet.

    Körper-Raum-Beziehung

    … Ich spreche von dem Raum, den die Formen erschaffen, der in ihnen lebt.

    Eduardo Chillida (1924-2002)

    Ein Körper, ob natürlich oder künstlich, existiert nur im Raum, der wiederum durch die darin befindlichen Körper definiert wird. Der unendliche, leere Raum ist unanschaulich. Obwohl sich die Wahrnehmung des Raumes im Laufe der Geschichte gewandelt hat, lassen sich grundlegende Aussagen über den künstlerisch gestalteten Raum treffen.

    Körper und Raum sind in der Plastik eng miteinander verbunden: Wenn Material abgetragen wird, gewinnt der Umraum an Gewicht, während das Hinzufügen von Material mehr Raum beansprucht. Henri Laurens definierte: „Plastik bedeutet im wesentlichen Besitzergreifung des Raumes.“ Eine Plastik nimmt realen Raum ein und kann virtuell auf den umgebenden Raum wirken, wodurch Spannungen zwischen der Plastik und dem Betrachter entstehen.

    Henry Moore, Oval with Points, 1968-70.
    Bronze und Gips.

    Es ist hilfreich, mit Verben zu beschreiben, ob der Körper oder der Raum aktiv oder passiv erscheint. Eine Plastik kann den Raum „verdrängen“, „ausgreifen“, „durchstellen“ oder „einfangen“, während der Raum den Körper „abweisen“ oder „umfluten“ kann. Die positiven Formen des Körpers und die negativen Formen des Raumes können in vielfältigen Beziehungen zueinander stehen.

    Eine Grundform eines Körpers ist der Block, der oft geschlossene Umrisse hat und den Raum abweist. Stereometrische Formen wie die Kugel bieten dem Raum keine Angriffsfläche und sammeln die potentielle Energie im Innern. Diese werden als „Kernplastik“ bezeichnet.

    Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Körper und Raum zeigt sich in Werken mit einem Wechselspiel zwischen konkaven und konvexen Formen, die sich dem Raum öffnen. Henry Moore betonte: „Ein Loch kann ebenso viel Formbedeutung haben wie eine feste Masse. Plastik in Luft ist möglich.“

    Henry Moore, Mutter mit Kind/Eiform, 1977.
    Marmor, Höhe: 194 cm.
    [Hohl- und Mantelform]

    Je mehr sich ein Körper öffnet, desto wichtiger werden negative Formen, die den Raum beeinflussen. Kompositionen können dominierende Hohlformen, durchbrochene Strukturen oder ausgedünnte Formen aufweisen, die weniger plastisch wirken und als „Raumlineaturen“ fungieren.

    Volumen, Masse und Gewicht

    Das Volumen einer Plastik, auch als „plastisches Volumen“ bezeichnet, kann auf zwei Arten entstehen: durch die verwendete Materialmasse und durch die geformten Raumanteile. Man unterscheidet zwischen „Massevolumen“ und „Raumvolumen“ (oder „Negativvolumen“).

    Das Volumen eines Würfels kann unterschiedlich dargestellt werden: Bei einem massiven Würfel sind plastisches und Massevolumen identisch. Bei einer Mantelform, wie einem hohlen Würfel, entsteht das Volumen aus einer Kombination beider. Bei einem Drahtkantenmodell besteht fast nur Raumvolumen; es genügen wenige verbundene Stäbe, um die dreidimensionale Form zu markieren. Der Betrachter ergänzt die reduzierte Form nach dem psychologischen „Gesetz der guten Gestalt“, wobei prägnante Raumformen leichter erkennbar sind, während amorphe, gestaltlose Formen schwerer zu erfassen sind.

    Zwei Körper mit demselben plastischen Volumen können unterschiedliche Gewichte haben, abhängig vom verwendeten Material und dessen spezifischem Gewicht. In der Plastik spielt das numerisch ausdrückbare, tatsächliche Gewicht jedoch selten eine Rolle; wichtiger ist oft das optische Gewicht. Ein Würfel auf kann einer Spitze oder hängend viel leichter erscheinen. Andererseits kann ein Werk trotz geringem Materialverbrauch oder der Verwendung sehr leichten Materials schwer und massiv wirken, wenn die Massenverteilung dies begünstigt (s. Benjamin Houlihan).

    Benjamin Houlihan, Besetzer, 2011-14.
    Polyurethan, Pigment, Lack.

    Ansichtigkeit, Kontur, Blickführung

    Zweidimensionale Kunstwerke geben dem Betrachter einen festen Standort vor, während die „Ansichtigkeit“ (oder der „Aspekt“) bei Plastiken variabler ist. Eine Plastik kann eine oder mehrere gültige Ansichten haben und möglicherweise aus allen Blickwinkeln Informationen liefern.

    Einansichtig ist das „Relief“ (lat. „relevare“, „in die Höhe heben“), das zwischen der realen Dreidimensionalität der Plastik und der Raumillusion der Malerei vermittelt. Man unterscheidet zwischen versenkten und erhabenen Reliefs, wobei letztere in Flach-, Halb- und Hochrelief unterteilt werden können. Hochreliefs können durch „Hinterschneidungen“ den vollplastischen Figuren nahekommen und ebenfalls mehrere Betrachterstandpunkte ermöglichen.

    Stele des Antef, ca. 2108-2059 v. Chr.

    Einansichtige Werke, oft frontal gestaltet, sind für Nischen oder Wände konzipiert und benötigen keine detaillierte Rückseite, wie beispielsweise Bauplastiken an Kathedralen. Diese Werke wirken oft respektvoll, da sie die Blickachse des Betrachters definieren und ihm einen festen Standort zuweisen. Bodenplastiken nehmen eine Zwischenstellung ein; sie dehnen sich in zwei Richtungen aus und sind umschreitbar oder sogar begehbar. Hänge- und Schwebeplastiken stellen Sonderformen dar.

    Die meisten Plastiken sind Standplastiken, die „freistehend“ und „voll-“ bzw. „rundplastisch“ ausgeführt sind. Sie können mehransichtig sein, haben jedoch oft eine Hauptansicht, in der sie sich am besten präsentieren, wie Figuren der griechischen Klassik. „Allansichtige“ Plastiken entfalten ihre Wirkung erst aus verschiedenen Perspektiven, häufig haben sie auch eine oder zwei „Schauseiten“, die ihre Wirkung verstärken.

    Ernst Barlach, Der singende Mann, 1928.
    Bronze, 50 x 46 x 42 cm. Berlin, Nationalgalerie.

    Mit dem Standort des Betrachters ändert sich die „Kontur“ der Plastik. Diese Veränderung kann den Eindruck von Bewegung oder Ruhe vermitteln. Ansichtigkeit und die Wirkung der Kontur sind entscheidend für die „Blickführung“, die strukturiert, in welcher Reihenfolge die Teile betrachtet werden.

    Die Skulptur ist die größte aller Künste, sie ist sieben Mal größer als die Malerei, weil sie nicht nur eine, sondern acht Ansichten bieten muss, und jede davon hat brillant zu sein.

    Benvenuto Cellini, Bildhauer, 16. Jh.

    Gerichtetheit und Bewegung

    Die „Gerichtetheit“ einer Plastik bezieht sich auf die Dominanz von Ausdehnungen in eine oder mehrere Richtungen. Bei figürlichen Werken sind die Körperachsen entscheidend, und es ergeben sich verschiedene „Richtungsbeziehungen“, die oft in einem bestimmten Rhythmus oder Kontrast angeordnet sind. Die Gerichtetheit lässt sich mit Begriffen wie „stehend“, „liegend“, „sitzend“ oder „sich aufrichtend“ beschreiben, die auch auf abstrakte Arbeiten anwendbar sind. Eine häufige Anordnung ist der „Kontrapost“ (ital. contrapposto, „Gegensatz“), der auf die klassische Antike zurückgeht.

    Die Gerichtetheit ist eng mit dem Verhältnis des Körpers zum Raum verknüpft. Ein raumweisender Körper tendiert dazu, von einem Zentrum nach außen zu wirken, während ein raumabweisender Körper eher nach innen gerichtet ist. Sie beeinflusst auch Gleichgewicht, Statik und Dynamik eines Werks: Eine vertikale und horizontale Ausdehnung vermittelt einen statischen Eindruck, während diagonale Linien Dynamik und Bewegung suggerieren.

    Bewegung kann als dargestellte Handlung oder als Moment des Stillstands innerhalb eines Ablaufs konzipiert werden. Der „fruchtbare Moment“, ein antikes Konzept, zeigt einen Zeitpunkt, von dem aus die vorangegangene Tätigkeit rekonstruiert und die folgende antizipiert werden kann. Tatsächliche Bewegung kann bei kinetischen Plastiken auftreten, deren Körper-Raum-Beziehung ständig wechselt, oder durch die Bewegung des Betrachters, der von mehransichtigen Werken zum Umschreiten angeregt wird.

    Alexander Calder, Mobile, 1932.
    Metall, Holz, Draht und Schnur.

    Präsentation

    Bei der Präsentation einer Plastik ist es wichtig, auf die Ausleuchtung zu achten, da beispielsweise eine stark seitliche Lichtquelle eine ganz andere, dramatischere Wirkung erzeugt als diffuses Licht. Die Wirkung des Lichtes hängt zudem vom Material und seiner Bearbeitung ab: Dunkles Material mit einer leicht rauen Oberfläche, wie Terrakotta, wirkt lichtarm, da es mehr Licht absorbiert als polierte Bronze, deren erhabene Teile deutlich stärkere „Spitzlichter“ (hell reflektierende Stellen) aufweisen. Hochglanzpoliertes Material mit glatten Flächen spiegelt oft die Umgebung wider, wodurch diese Teil der Plastik wird. Gips hingegen wirkt stumpf, während weißer Marmor einen „transluziden“ Charakter aufweist, bei dem Licht teilweise unter die Oberfläche dringt und leuchtet.

    Auguste Rodin, Die Bürger von Calais, 1884-1895.
    Bronze, Place de l’Hôtel de Ville in Calais.

    Ein wichtiger Aspekt bei der Präsentation ist das „Sockelproblem“, das viele Künstler beschäftigt hat. Ursprünglich dienten Sockel und Postamente zum Schutz vor Bodennässe, gewannen jedoch schnell an Bedeutung, insbesondere bei Denkmälern, da sie dem Betrachter eine Untersicht bieten und somit eine gewisse Überlegenheit suggerieren können. Auguste Rodin war einer der ersten, der bei seinen „Bürgern von Calais“ auf solche Sockel verzichtete und stattdessen eine „Plinthe“ verwendete, die meist aus demselben Material wie die Figuren besteht und hauptsächlich der Stabilität dient. Für andere Künstler, wie Constantin Brancusi, hatten Sockel hingegen eine gleichwertige künstlerische Bedeutung. Die Wirkung von Plastiken ist also stark vom Kontext abhängig. Dies gilt besonders für Freiplastiken. Henry Moore bemerkte: „Die Landschaft, die Wolken, der Himmel zehren an der Plastik und verringern ihre Maße, dünne, lineare Formen gehen leicht verloren.“

    Schließlich ist die Frage relevant, an welchem Ort die Plastik präsentiert wird, insbesondere bei Plastiken und Skulpturen im Außenraum. Beispielsweise kann eine organische Plastik bewusst im Kontrast zu einer gebauten, urbanen Umgebung stehen oder durch eine spiegelnde Oberfläche die Umgebung (z. B. Natur, Architektur, Betrachtende) einbeziehen. Ein Plastik kann außerdem inhaltliche, symbolische oder formale Bezüge zum Präsentationsort aufweisen und diesen entsprechend reflektieren.

    Anish Kapoor, Cloud Gate („The Bean“), 2004-06.
    168 zusammengeschweißte und geglättete, glattpolierte Edelstahlplatten, 20 m × 13 m × 10 m.
    Millennium Park, Chicago (Illinois, USA).

    Quellen:
    Grünewald, Dietrich (2009) (Hrsg.): Kunst entdecken. Oberstufe. Berlin: Cornelsen Verlag, S. 46f.
    Quelle: Lanz, Oliver (2018): Objektkunst. Begriff und Geschichte.

  • Plastische Gattungen, Techniken und Materialien

    Plastische Gattungen, Techniken und Materialien

    Skulptur ist die Kunst der Buckel und Löcher, die Kunst, die Formen im Spiel von Licht und Schatten darzustellen.

    Auguste Rodin (1840-1917)

    Das Wort Plastik ist der Oberbegriff für alle Arten dreidimensionaler Kunstwerke (Skulptur, Objekt, Installation). Dreidimensionale Kunstwerke zeichnen sich dadurch aus, dass sie mehransichtig sind, also von mehreren Seiten betrachtet werden können.

    Gattungen, Techniken und Verfahren

    Im engeren Sinne meint der Begriff Plastik (griech. plastiké téchne: die Kunst, zu formen) eine Gestaltung aus weichem, formbarem Material wie Wachs, Knete, Modelliermasse, Plastilin oder Ton. Hierbei wird additiv (= aufbauend) gearbeitet. Für die Bearbeitung des Materials können die Hände oder spezielle Modellierwerkzeuge verwendet werden.

    Das Wort „Skulptur“ stammt aus dem Lateinischen (sculpere: schnitzen, meißeln) und bezeichnet im Unterschied zur Plastik subtraktive (= abtragende) Verfahren. Dafür werden Materialien verwendet, die vor der Bearbeitung einen größeren Umfang haben als danach, wie Stein, Marmor, Holz oder Gipsblöcke. Bearbeitet werden die mehr oder weniger harten Materialien mit Werkzeugen wie Meißel, Stechbeitel, Schnitzwerkzeuge, Sägen usw.

    Giambologna, Raub der Sabinerin, 1581/83.
    Marmor, Höhe; 410 cm. Florenz, Loggia dei Lanzi.

    Bildhauerei nenne ich die Kunst, die durch behutsames Wegnehmen geübt wird.

    Michelangelo Buonarroti (1475-1564)

    Einen Überblick über die Werkzeuge für die bildhauerische Arbeit erhältst du in folgender Abbildung:

    Quelle: Lanz, Oliver (2018): Objektkunst. Begriff und Geschichte.

    Material und Oberfläche

    Wie bei kaum einer anderen Gattung hängt bei der Plastik die Wirkung sehr vom verwendeten Material und dessen Oberfläche ab.

    Klassische Bildhauermaterialien sind vor allem Stein, Holz und Metall. Insbesondere Marmor, Kalkstein und Bronze waren in der Antike und Renaissance beliebte Werkstoffe. Aber auch Ton, Elfenbein, Wachs und Gips wurden verwendet. Einen Überblick über künstlerische Verarbeitung des Werkstoffs Ton findest du in folgendem Beitrag:

    Der Bildhauer Giovanni da Bologna („Giambologna“) arbeitete seine Skulptur Raub der Sabinerin von 1581/83 aus einem Marmorblock heraus. Das Herstellungsverfahren bei größeren Werken sieht traditionell so aus: Am Anfang steht der „Bozzetto“, der erste Entwurf in Ton, nach dem ein Modell angefertigt wird, das in in Maßstab und Ausgestaltung bereits dem fertigen Werk nahekommt. Erst dann beginnt die Arbeit am Stein oder wird der Bronzeguss vorbereitet.

    Die Überarbeitung der Oberfläche einer Plastik mit anderen Materialien nennt man „Fassung“. Für einige Fassungen gibt es eigene Begriffe, so z. B. „Glasur“ bei Keramik oder „Patina“ bei Bronzeplastiken. Die letztere kann durch natürliche Oxydation oder durch künstlich-chemische Behandlung entstehen.

    Henry Moore, Double Oval, 1966.
    Bronze. Henry Moore Sculpture Perry Green.

    Giambologna (s.o.) verzichtet wie die meisten Künstler seiner Zeit auf eine Bemalung. In der griechischen Antike und im Mittelalter hingegen waren viele Werke „polychrom“ (griech.: vielfarbig, bunt) bemalt waren, wie neuere Forschungen zeigen. Bis ins 18. Jh. glaubte man, dass die antiken Skulpturen im reinweißen, ungefassten Zustand, so wie man sie gefunden hatte, gestaltet waren – die Ästhetik der Renaissance und des Klassizismus gründet sich auf diese Vorstellung. Mit farbigen Fassungen hingegen wirkt eine Skulptur ungleich naturalistischer.

    Peploskore der Athener Akropolis, um 540 v.Chr.
    Marmor bemalt, 120 cm. Athen, Akropolismuseum.

    Peploskore der Athener Akropolis.
    Farbrekonstruktion des antiken Originals.
    Stiftung Archäologie.
    Michel Erhart, Ravensburger Schutzmantelmadonna, um 1480-90.
    Lindenholz, farbig gefasst, Höhe: 135 cm.

    Dieses Phänomen machen sich Künstler bis heute zunutze: Die aus Glasfaser und Polyesterharz bestehenden Figuren Duane Hansons wirken durch Bemalung und authentische Kleidungsstücke täuschend lebensecht. Auch Ron Mueck gestaltet naturnahe, hyperrealistische Figuren.

    Duane Hanson, Mann auf Bank, 1997.
    Vinyl, polychromiert in Öl, mit Accessoires, in Lebensgröße.
    Crystal Bridges Museum of American Art, Bentonville (Arkansas,USA).
    Ron Mueck, ohne Titel (Shaved Head), 1990/98.
    Silikon, Polyurethanschaum und Acrylfaser, 49,5 x 36,7 x 83,8 cm.
    Skulpturenhalle, Albertinum Dresden.

    Neben der eigentlichen Form bestimmt die Oberfläche die Wirkung einer Plastik. Diese entsteht zum einen durch die Materialstruktur, wie Fasern beim Holz. Zum anderen kann jedes Material eine raue Oberfläche erhalten oder durch Polieren eine glatte Außenhaut bekommen. Als Werkspuren bezeichnet man eine solche Oberfläche, die die Spuren der Bearbeitung bzw. des Bearbeitungswerkzeuges erkennen lässt.

    Auguste Rodin, Danäid, 1889.
    Marmor, 21 x 41 x 24 cm.
    Henry Moore, Composition, 1932.
    Buchenholz, 36 x  10 x 15 cm.
    High Museum of Art, Atlanta.

    Je nach Material und Bearbeitung kann die Oberflächenstruktur glatt, stumpf, warm, kalt, poliert, rau, feucht, rissig, spröde, rostig o. Ä. sein. Innerhalb eines Werkes können unterschiedliche Oberflächenbehandlungen starke Kontraste erzeugen. Auguste Rodin stellte die Werkspuren seines Meißels im Marmor gern geschliffenen und polierten Stellen gegen über, um die »fertigen« Teile durch dieses absichtsvolle „Non-finito“ um so kunstvoller erscheinen zu lassen.

    Die Oberflächenbearbeitung hat einen besonderen Einfluss auf das Licht-Schatten-Spiel in einer Plastik. Dieses hängt auch noch von weiteren Faktoren ab: der Lichtquelle, dem Material und seiner Farbe, sowie von der Bearbeitung der Oberfläche und der Plastizität. Eine Arbeit, die reich an Einzelheiten oder zerklüftet ist, erzeugt ein unruhigeres und dynamischeres Licht-Schatten-Spiel im Vergleich zu einem Werk, das summarisch behandelte, zu einem großen Ganzen zusammengefasste Details aufweist.

    Camille Claudel, Das reife Alter, 1897.
    114 x 163 x 72 cm, Bronze.

    Skulptur ist gegenwärtige Wirklichkeit.

    Henry Moore (1898-1986)

    Mit der Industrialisierung erweitert sich das Spektrum an Materialien und Werkstoffen in der Bildhauerei. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts finden auch kunstferne Materialien in der Plastik Verwendung, beispielsweise fertige Industrieprodukte, Kunststoffe, Alltagsgegenstände oder Abfall. Ab den 1960er Jahren und im Kontext des „offenen Kunstbegriffs“ bereichern organische Materialien, wie Fett bei Joseph Beuys, Seife bei Janine Antoni, Lebensmittel wie bei Dieter Roth und selbst Exkremente, wie bei Piero Manzoni, das Spektrum.

    Daniel Spoerri, Kichka’s  Breakfast, 1960.
    Holzstuhl, an der Wand montiert, Brett auf Sitzfläche,
    Kaffeetasse, Trinkbecher, Eierbecher, Eierschalen,
    Zigarettenstummel, Löffel und andere Materialen.
    Joseph Beuys, Fettstuhl, 1964.
    Darmstadt, Hessisches Landesmuseum.

    Der britische Künstler Marc Quinn modellierte in dem lebensgroßen Werk Self mit fünf Litern Blut ein Abbild seines eigenen Kopfes. Die Menge des Blutes, die er sich über Monate abnehmen ließ, entspricht der Menge des Blutes eines erwachsenen Körpers. Der Künstler reflektiert seine Arbeit:

    Das Blut ist mein eigenes Blut. Wenn es in meinem Körper zirkuliert, ist es ein Teil meiner selbst. Dann ist es dort in dieser Skulptur, dieselbe Menge Blut, alles, was in meinem Körper war, die gesamte Menge, die in den Adern floss. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hörte das Blut auf, ein Teil meines Ich zu sein. Aus etwas Eigenem ist ein Teil des Anderen geworden. Aber es ist dieselbe Materie.“ (Marc Quinn, 1999)

    Marc Quinn, Self (Blutkopf), 1991.
    Gefrorenes Blut des Künstlers, Gefriergerät, 208 x 63 x 63 cm.
    London, White Cube.

    Quellen:
    Grünewald, Dietrich (2009) (Hrsg.): Kunst entdecken. Oberstufe. Berlin: Cornelsen Verlag, S. 46f.
    Quelle: Lanz, Oliver (2018): Objektkunst. Begriff und Geschichte.