Zeichnen ist die Kunst, Striche spazieren zu führen.
Paul Klee
In der zeichnerischen Gestaltung bilden Punkt, Linie und Fläche die grundlegenden Elemente. Materialien und Oberflächen können durch den gezielten Einsatz von Linien nachgeahmt werden – die sogenannte Struktur. Gefüge von Linien bilden eine Schraffur, die im differenzierten Einsatz einen Hell-Dunkel-Kontrast erzeugen können. Diese Mittel sind das „Vokabular“ der Grafik und ermöglichen es Künstlerinnen und Künstlern, komplexe Inhalte, Atmosphären und Strukturen visuell umzusetzen.

Feder/Rohrfeder, Tusche auf Papier, 28 x 20 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York.
Punkt
Der Punkt markiert den Beginn jedes zeichnerischen Ausdrucks. Er entsteht durch den ersten Kontakt des Zeichengeräts mit der Fläche – oft als bewusster gestalterischer Akt. In der Kunst kann eine Vielzahl von Punkten ein Bild strukturieren (vgl. Pointillismus), Kontraste erzeugen oder rhythmische Effekte hervorrufen.

Bleistift und Tinte auf Japanpapier, 22 x 26 cm. Robert Lehmann Collection, The Metropolitan Museum of Art, New York.
Eine Linie ist ein Punkt, der spazieren geht.
Paul Klee
Linie
Die Linie ist das zentrale Mittel der zeichnerischen Darstellung. Ihre Erscheinung ist vielfältig: Sie kann klar konturierend, rhythmisch, fließend oder suchend sein.
Schon einfachste Linien rufen bei ihrer Betrachtung unterschiedliche Wirkungen hervor, die aus Stimmungen und Gefühlen und aus menschlichen Raumerfahrungen resultieren.

In der Zeichnung können Linien …
- Konturen definieren (Konturlinie),
- innere Strukturen sichtbar machen (Binnenlinie),
- Materialeigenschaften vermitteln (materialangebende Linie),
- räumliche Tiefe und Volumen/Körperhaftigkeit erzeugen (formgebende Linie),
- oder den zeichnerischen Denkprozess abbilden (suchende Linie).

In der bewussten Reduktion auf wesentliche Linien zeigt sich oft eine besondere zeichnerische Stärke.
Struktur
Neben den meist klar gesetzten Kontur- und Binnenlinien gibt es die materialangebenden Linien.
Da es Zeichnern nahezu unmöglich ist, jedes Details seines Bildgegenstandes abzubilden (z. B. jeden Grashalm einer Wiese, jedes Blatt eines Baumes, jeden Ziegel eines Daches), müssen sie eine grafische Übersetzung sowohl für gewachsene und für gebaute Strukturen als auch für die Beschaffenheit von Oberflächen (= Textur) finden.

Meist werden Linien verdichtet, um die Textur zu charakterisieren. Für Zeichner ist es besonders herausfordernd, grafische Entsprechungen für die unterschiedlichen haptischen Qualitäten zu entwickeln.

Eine Wiese könnte beispielsweise durch locker aus dem Handgelenk gesetzte Linienbündel dargestellt werden, Dachziegel hingegen durch einige strenge waagerechte und senkrechte Linien. Eine stachelige Oberfläche kann durch kurze und harte Linien wiedergegeben werden, eine flauschige Textur eher durch lange, weiche Linien.
Schraffur
Gefüge aus parallel und eng neben- bzw. übereinander gesetzten Linien werden als Schraffuren bezeichnet. Linien, die parallel verlaufen, bezeichnet man als Parallelschraffur“ Überlagern sich parallele Linienbündel, spricht man von der Kreuzschraffur.

Schraffuren, die der Form des Gegenstandes folgen, können beispielsweise gekurvt oder gebogen sein (formbeschreibende Schraffur). Die Kritzelschraffur kennzeichnet eine unruhige, bewegte Linienführung. Häufig finden sich in einer Zeichnung unterschiedliche Schraffur-Arten.
Schraffuren dienen der Modellierung von Lichtverhältnissen und Körperlichkeit. Je nach Dichte und Richtung der Linien entstehen unterschiedliche Graustufen, die zur plastischen Darstellung von Gegenständen und Figuren beitragen.


Rembrandt van Rijn, Die drei Bäume, 1643.
Radierung, Kupferstich und Kaltnadel, 21 x 28 cm. Städel Museum, Frankfurt/Main.
Hell-Dunkel
Durch die Verdichtung von Punkten, Linien, Strukturen und Strukturen kann der Kontrast zwischen Hell und Dunkel herausgearbeitet werden. Je größer der Hell-Dunkel-Kontrast, desto größer ist die Spannung im Bild und es entsteht „Dramatik“. Man spricht auch vom „Geheimnis des Hell Dunkel“, weil die Wirkungen dieses grafischen Gestaltungsmittels so vielfältig sein können.

Der Kontrast besitzt zum einen eine Ausdruckswirkung, da Helles in der Regel mit positiven Gefühlen assoziiert wird (z. B. Freundlichkeit, Heiterkeit, Leichtigkeit) und Dunkles eher mit negativen Gefühlen (z. B. Ernst, Schwere, Trauer).

Mittels des Kontrastes können Licht und Schatten dargestellt und entsprechend Körperlichkeit und Räumlichkeit erzeugt werden. Der Grad der Helligkeit und Dunkelheit kann im Zusammenspiel Formen im Bild klar begrenzen (größtmöglicher Kontrast: weiß vs. schwarz) oder unscharf/weich begrenzen (oft in feiner Abstufung von Grauwerten).
Die Verteilung und Größe der hellen und dunklen Partien im Bild hat einen entscheidenden Einfluss auf die Bildkomposition, sodass der Kontrast maßgeblich die Blickführung beeinflusst. Beispielsweise kann durch einen starken Hell-Dunkel-Kontrast ein Konzentrationspunkt bzw. -feld geschaffen werden.
Fläche

Die Fläche ist ein monochromes (= einfarbiges) Bildelement innerhalb der Grafik. Sie kann als eigenständiges Formelement wirken und klar definiert sein oder aus verdichteten Linien entstehen. Insbesondere die Zeichenmedien Tusche, Kohle und Kreide eignen sich hervorragend, von der Linie in die Fläche überzugehen, da Linien sehr breit gesetzt werden können.
Die Fläche strukturiert den Bildraum, schafft Hell-Dunkel-Kontraste und trägt wesentlich zur Komposition eines Bildes bei. In der Druckgrafik – etwa im Holzschnitt oder Siebdruck – nimmt sie oft eine dominante Rolle ein.

Farbholzschnitt, 27 x 30 cm. Städel Museum, Frankfurt/Main.
Formulierungshilfen, die dir bei der Analyse des Bildgrafischen helfen, findest du hier:
Quellen:
Bickelhaupt, Thomas (2014): Grafik. Theorie – Praxis – Geschichte. Stuttgart: Ernst Klett Verlag.
Duden-Abiturhilfen (1994). Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag.
https://kunstunterricht-ideen.de/

