Bildform

Als Bildform wird die Art der Geformtheit der Bildgegenstände (Objektfigur) und des Bildgrundes (Grundfigur) bezeichnet. Beide Figuren bedingen einander und sind gleichwertig bedeutsam für die Bildaussage.

Als grundlegende Prinzipien lassen sich eine hohe Annäherung an die Wirklichkeitserscheinung und eine Entfernung von dieser unterscheiden. Weiterhin ist eine Negation der realen Geformtheit möglich.

Eine psychologische Grundlage für das Sehen und Gestalten von Formen in Bildern bildet die Figur-Grund-Beziehung.

Piet Mondrian, Der rote Baum, 1908-10.
Öl auf Leinwand, 70 x 99 cm. Kunstmuseum Den Haag.

Figur-Grund-Beziehung

Ein zentrales Merkmal der menschlichen Wahrnehmung ist die Fähigkeit, zwischen einem Objekt im Vordergrund und dessen Hintergrund zu unterscheiden. Dabei hebt sich die sogenannte „Figur“ deutlich vom „Grund“ ab, also vom umgebenden Kontext.

Unser Gehirn ist bestrebt, Formen aus einer Fläche oder einem Raum herauszufiltern und zu interpretieren. Besonders gut gelingt dies, wenn zwischen Figur und Hintergrund ein starker Helligkeitsunterschied besteht – also ein deutlicher Kontrast vorhanden ist.

Bestimmte Gestaltungen führen zu einer uneindeutigen Wahrnehmung von Figur und Hintergrund – insbesondere dann, wenn die verwendeten Formen je nach Betrachtungsweise sowohl als Vordergrundobjekt als auch als Hintergrund interpretiert werden können. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der sogenannte Rubin’sche Becher.

Die Wahrnehmungstäuschung bei der Figur-Grund-Erkennung beruht wesentlich darauf, welche Bereiche des Bildes als Vordergrund und welche als Hintergrund interpretiert werden. Beim Rubin’schen Becher entscheidet diese Zuordnung darüber, ob man eine Vase oder zwei sich gegenüberstehende Gesichter erkennt.

Vertiefende Informationen findest du auf folgendem Merkblatt:

Annäherung an die Wirklichkeitsform („Dingabbild“)

In einem Bild kann die Naturähnlichkeit betont werden. Es findet eine Annäherung an die Wirklichkeit und entsprechend die reale Geformtheit statt.

Folgende Mittel unterstützen dieses Gestaltungsprinzip:

  • naturähnliche Proportionen,
  • naturnahe Binnengliederung,
  • naturnahe Umrisse,
  • naturnahe räumliche und perspektivische Darstellungen (Körperperspektive, Zentralperspektive, …).
Rembrandt van Rijn, Selbstbildnis an einer Steinmauer lehnend, 1639.
Radierung, 21 x 16 cm. Städel Museum, Frankfurt/Main.
Adolph Menzel, Der Fuß des Künstlers, 1876.
Öl auf Holz, 39 x 34 cm. Alte Nationalgalerie, Berlin.
Leonardo da Vinci, Mona Lisa, 1503-06.
Öl auf Pappelholz, 77 x 53 cm. Musée du Louvre, Paris.
Samuel van Hoogstraten, Trompe-l’oeil-Stilleben, 1664.
Öl auf Leinwand, 46 x 58 cm. Johnny Van Haeften Gallery, London.

Entfernen von der Wirklichkeitsform („Sinnbild“)

Bildgegenstände können sich in ihrer Geformtheit von der Wirklichkeit lösen und entsprechend verfremdet erscheinen.

Perikopenbuch Heinrichs II., Reichenau,
Verkündigung an die Hirten, 1007-1012.
Deckfarben auf Pergament, 28x 25 cm.
Bayrische Staatsbibliothek München.
[Verformung der Proportionen]
Käthe Kollwitz, Die Eltern aus dem Zyklus Krieg, 1921/22.
Holzschnitt. Städel Museum, Frankfurt am Main.

Folgende Gestaltungsmittel verwirklichen dieses Prinzip:

  • Verformung der Proportionen/Formvereinfachung/Annäherung an geometrische Grundformen,
  • Betonung der Umrisse,
  • verschwimmende Konturen,
  • spezieller Pinselduktus (pastos, lavierend, getupft, flächig, …),
  • Verzicht auf Details,
  • Verbindung von Objekt und Grund,
  • Öffnen/Zerreißen der Formen.
Georges Braque, Krug und Violine, 1910.
Öl auf Leinwand, 117 x 74 cm, Philadelphie Museum of Art.
[Verbindung von Objekt und Grund, Öffnen/Zerreißen der Formen]
Henri Matisse, Luxus, Ruhe und Sinnlichkeit, 1904.
Öl auf Leinwand, 99 x 119 cm.
Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris.
[Formvereinfachung/Annäherung an geometrische Grundformen, Betonung von Konturen]
Karl Schmidt-Rottluff, Blick vom Balkon, 1913.
Holzschnitt. [Formvereinfachung, Verzicht auf Details]
Georges Seurat, Der Morgenspaziergang, 1885.
Öl auf Holz, 25 x 16 cm. National Gallery, London.
[getupfter Farbauftrag, Verschwimmen der Konturen]

Negation der realen Geformtheit („Gebilde“)

Bilder, deren Gegenstände in ihrer Geformtheit keinen Bezug zur Wirklichkeit aufweisen und diese negieren, werden auch als „Gebilde“ bezeichnet.

Henri Matisse, Die Schnecke, 1953.
Bemalte und zugeschnittene Papiere auf Leinwand, 287 x 288 cm.
Tate Modern, London. [abstrakte Formen]

Folgende Mittel werden dabei häufig genutzt:

  • Verwendung abstrakter Formen und unrealer Farben,
  • Einbeziehung von Fotos, Collagematerialien, realen Objekten.
Clyfford Still, 1944-N No. 2, 1944.
Öl auf Leinwand, 265 x 222 cm. The Museum of Modern Art, New York.
Wassily Kandinsky, Komposition VIII, 1923.
Öl auf Leinwand, 140 x 201 cm.
Guggenheim Museum, New York. [abstrakte Formen]
Hilma af Klint, Die zehn größten, Nr. 7, Erwachsenenalter, Gruppe IV, 1907.
Öl auf Leinwand, 321 x 237 cm.
Moderna Museet, Stockholm. [abstrakte Formen]
Piet Mondrian, Composition with Large Red Plane, Yellow, Black, Grey and Blue, 1921.
Öl auf Leinwand, 60 x 60 cm. Kunstmuseum Den Haag.
Kurt Schwitters, Merzbild 21 b, Das Haar-Nabelbild, 1920.
Zeitungsausschnitte, Knöpfe, Holzplättchen, Wellpappe,
Korken und Haare, übermalt, 91 x 72 cm. Kunsthalle Karlsruhe.
[Einbeziehung von Fotos, Collagematerialien, realen Objekten]
Gerda Lepke, Feldlandschaft, 1978.
Öl auf Leinwand, 50 x 81 cm. Galerie Himmel, Dresden.

Quellen: